0.1 Gesundheit und Politik
Das Ende der Bankleitzahl
Europa wächst politisch und wirtschaftlich immer enger zusammen. Nur im Zahlungsverkehr regeln immer noch nationale Bestimmungen das Vorgehen. Das ändert sich zum 1. Februar 2014, wenn SEPA in Kraft tritt. Das Projekt „Single Euro Payments Area“ – zu Deutsch „Einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum“ – hat Auswirkungen auf den nationalen und europäischen Zahlungsverkehr. Viele Unternehmen haben sich noch nicht ausreichend darauf vorbereitet. Auch die gesetzlichen Krankenkassen, die enorme Finanzmittel bewegen, dürfen die Auswirkungen von SEPA nicht unterschätzen. Die Produktmanager und Finanzexperten Manfred Manske und Michael Bernhardt von der AOK Systems erklären, was der IT-Dienstleister unternimmt, damit die Kunden auf den Stichtag gut vorbereitet sind.
Die Uhr tickt. In weniger als 500 Tagen ist SEPA das verbindliche Verfahren im Zahlungsverkehr. Sind die Krankenkassen gut vorbereitet?
Manske: Im Moment noch nicht aber das muss man im Verhältnis zu dem Vorlauf sehen, den wir noch haben. Wir haben die Krankenkassen sanft „aufgeschreckt“, weil wir wissen müssen, was sie brauchen und wie wir es ihnen bereitstellen sollen.
Bernhardt: Vor dem zeitlichen Aspekt besteht die Gefahr, das Thema zu unterschätzen. Das merkt man eben erst, wenn man sich intensiver damit beschäftigt.
Was ändert sich durch SEPA für die Kassen?
Manske: Im Überweisungsverkehr und im Auszahlungsgeschäft wird sich kaum etwas ändern.
Die große Herausforderung ist also die Umstellung?
Manske: Die große Herausforderung ist das Lastschriftenverfahren. Dort gibt es neuerdings Mandate. Der Schuldner erteilt ein Mandat. Das muss schriftlich erfolgen, es muss jederzeit verfügbar sein und bei jeder Lastschrift muss die Mandatsreferenznummer mitgegeben werden.
Und die müssen jetzt alle eingeholt werden?
Manske: Da hat der Gesetzgeber zum Glück die Möglichkeit gegeben, das bestehende Lastschriftverfahren automatisiert in das Lastschriftverfahren von SEPA umzuwandeln. Eigentlich muss dem Schuldner nur mitgeteilt werden, dass seine Lastschrift in eine SEPA-Lastschrift umgewandelt wurde. Bankkunden haben das über die neuen AGBs erfahren, die bis zum 9. Juli jeder bekommen hat. Die Umwandlung des Verfahrens ist nur noch ein softwaretechnisches Problem.
Über wie viele Datensätze, die umgewandelt werden müssen, sprechen wir?
Bernhardt: Allein im AOK-System sind das umgerechnet ungefähr 25 Millionen.
Was müssen die Unternehmen tun, um am Stichtag gut gerüstet zu sein?
Manske: 90 Prozent der Aufgaben, die anstehen, betreffen die IT. Unsere Software steht zum 1. Juli 2013 zur Verfügung. Im dritten und teilweise noch im vierten Quartal wird die Umstellung erfolgen, sodass vor dem Januar 2014 alles erledigt ist.
Hat das Auswirkungen auf das Kundenmanagement und das Rechnungswesen?
Manske: Das wird alles automatisiert laufen. Die Kunden müssen ihre IBAN/BIC angeben. Dafür müssen sie Mandate unterschreiben. Die zukünftige Mandatspflege wird daher ein bisschen aufwändiger.
Bernhardt: Das gilt auch für einen Bankwechsel: Früher hat man eine Lastschrift erteilt und bei einem Bankwechsel wurde das automatisch umgestellt. Künftig braucht man ein neues Mandat. Man muss belegen können, dass man von diesem Konto bei dieser Bank abbuchen darf. Da müssen die Kassen sicher noch mit ihren Banken reden: Was müssen wir in unseren Verträgen ändern? Ändern sich Lieferfristen, Einlösefristen?
Und Lastschriften müssen künftig auch ein Fälligkeitsdatum aufweisen.
Bernhardt: Durch diese sogenannte „Pre-Notification“ ändert sich einiges. Die Kasse muss dem Kunden mitteilen, wann sie welchen Betrag von seinem Konto abbuchen möchte und das eben mit bestimmten Vorlauffristen. Das sind gravierende Änderungen, die auch Auswirkungen auf die Software haben. Die Kassen können nicht kurzfristig einen Beitrag ändern und buchen dann einen vom Mandat abweichenden Betrag ab. Die Pre-Notification muss 14 Tage vor der Lastschrift erfolgen.
An wen geht die Vorankündigung?
Manske: An den Kontoinhaber, damit er die Gelegenheit hat, dafür zu sorgen, dass das Konto gedeckt ist.
Das heißt, die Kunden bekommen jetzt ständig Post?
Manske: Nein. Man kann die Pre-Notification bei gleich bleibenden Zahlungen auch einmalig im Jahr erstellen. Man kann auch die 14 Tage durch AGBs verkürzen, aber man kann eine Pre-Notification nicht ausschließen.
Bernhardt: Es wird nur aufwändig, wenn sich unter dem Jahr Änderungen ergeben. Dann muss das dem Kontoinhaber mitgeteilt werden.
Das hört sich kompliziert und nach viel Aufwand an.
Manske: Ja, hier ist die Software gefordert, die nötige Korrespondenz zu erzeugen.
Das alles läuft über oscare®. Muss dazu ein neues Modul angebaut werden?
Manske: Nein, wir werden Veränderungen und Ergänzungen in einigen Modulen von oscare® vornehmen. Sie werden Anwendungen im SAP-Standard betreffen. Wir arbeiten noch daran.
Wie weit sind Sie damit?
Manske: Wir werden noch bis Januar 2013 daran bauen. Es ist auch noch nicht klar, wo der erste Pilot läuft, da wir die Reihenfolge noch nicht festgelegt haben. Ich denke, dass wir bei ein oder zwei Kassen im August oder September 2013 anfangen können. Für die Umstellungsphase müssen wir uns auch gezielt um korrupte Daten kümmern.
Bernhardt: Wir werden eine Verfahrensbeschreibung für die Kunden erstellen, damit der Ablauf klar ist. Was müssen sie tun, was werden wir tun?
Was sind korrupte Daten?
Manske: Schlicht gesagt Datenmüll in den Systemen. Bankverbindungen, die 30 Jahre alt sind und der Kontoinhaber ist schon 25 Jahre kein Mitglied mehr. Oder es gibt Bankleitzahlen von Banken, die nicht mehr existieren. Wir werden Programme herstellen, die diese Daten löschen. Sonst sind zu viele Fehler im System und die externen Dienstleister können keine IBAN/BIC berechnen.
Und was passiert mit den restlichen korrupten Daten, die z.B. nicht vollständig sind?
Bernhardt: Diese Kunden müssen angeschrieben werden. Da werden wir eine technische Lösung bieten, damit niemand 5.000 Briefe an Kunden schreiben muss.
Der oscare®-Stand ist bei den Kunden unterschiedlich. Sind die SEPA-Umstellungen einfacher, je mehr oscare®-Stufen bereits produktiv sind?
Manske: Mindestens das oscare® Leistungsmanagement muss vollständig produktiv sein. Das oscare® Privatkundenmanagement (PKM) ist keine Voraussetzung. Wir können auch ohne PKM im Business-Partner die Bankverbindung generieren. Und spätestens im Oktober 2013 ist der Großteil unserer Kunden mit oscare® Leistungsmanagement produktiv.
Und nach der Produktivsetzung vom Leistungsmanagement ist die nächste Aufgabe gleich SEPA?
Bernhardt: Genau. Im Augenblick lassen wir die Kassen, die im nächsten Jahr noch das oscare® Leistungsmanagement vollständig produktiv setzten müssen, mit SEPA in Ruhe. Diese Kassen müssen zunächst ihre Altdaten in oscare® übernehmen. Wenn sie dann produktiv sind, werden wir die entsprechenden Werkzeuge haben, dass wir sie schnell SEPA-fähig machen.
Wann haben Sie angefangen sich mit SEPA auseinander zu setzten?
Manske: Wir haben das schon seit zwei, drei Jahren auf dem Radar. Als der 1. Februar 2014 als Starttermin feststand, haben wir richtig losgelegt.
Bernhardt: Davor haben wir unsere Kunden und die Verbände darüber informiert, dass sie sich intensiv mit dem Thema befassen müssen, denn für unsere Arbeit brauchen wir Vorgaben.
Heute SEPA, und was kommt morgen? Ist die AOK Systems in der Lage, auf solche Veränderungen immer rechtzeitig zu reagieren?
Manske: Wir haben in den vergangenen acht Jahren jährlich eine fast vollständige Softwareumstellung im Beitragswesen mit mehr oder weniger großen Änderungen gehabt.
Bernhardt: Vergangenes Jahr war es der Sozialausgleich, Mitte nächsten Jahres kommt eventuell das Alterssicherung-Stärkungs-Gesetz. Das ist unser tägliches Geschäft.