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0.2 Zukunft und Technologie

Digitale Revolution in der Medizin

Technologiekonzerne wie Apple, Google und Co. sind mit nichts weniger angetreten, als die Welt zu verändern. Dass sie das können, haben sie in den vergangenen Jahren bereits in vielen Bereichen des täglichen Lebens eindrucksvoll bewiesen. Jetzt haben sie die Medizin als neues Tätigkeitsfeld entdeckt. Auch deutsche Firmen wie etwa die Telekom wollen bei der Revolution in der Medizin mitmischen.

Jedes Jahr lädt Apple Experten und Journalisten nach San Francisco, um die neuesten Produkte und Software zu präsentieren. Im Juni war es wieder so weit. Und was Apple dort präsentierte, war bezeichnend dafür, was die Branche gerade elektrisiert. Die Schnittstelle „Health“ und die App „HealthKit“ machen iPhone und iPad zum medizinischen Kontrollzentrum. Derzeit ermöglichen sie, Daten wie Puls, Schrittmenge oder Schlafzyklus aus verschiedenen Apps zusammenzuführen und auszuwerten. Auf deren Grundlage wird dann ein medizinisches Profil erstellt. Das ist aber nur der Anfang. Über die Schnittstelle sollen zukünftig die Apple-Geräte auch mit Blutdruck- oder Blutzuckermessgeräten vernetzt werden. Die App schickt diese Werte auf Wunsch dann auch gleich an den Hausarzt oder das Krankenhaus.

Auf zum Mond

Bei Google, trotz aller Kritik sicherlich das Unternehmen mit der größten Innovationskraft, geht man hier viel weiter. Gesundheit ist das neue große Betätigungsfeld des Unternehmens. Geld spielt keine Rolle, rund 40 Milliarden hat das Unternehmen derzeit in der Kasse – und das Scheitern eines Projekts ist kein Unglück, sondern gehört zum Google-Prinzip. Synonym dafür ist das geheimnisvolle Labor „Google X“. Dieses hat rund acht Milliarden Dollar Forschungsetat zur freien Verfügung und ist auf der Suche nach dem „Moon Shoot“. Dieser Ausdruck ist angelehnt an die erste Mondlandung, die als unmöglich galt und innerhalb kürzester Zeit realisiert wurde. Konzernchef Larry Page treibt das Unternehmen in großen Schritten voran, da alles andere seiner Meinung nach in die Bedeutungslosigkeit führt. Natürlich will und muss Google auch Geld verdienen. Aber das Silicon Valley ist geradezu davon besessen, die Welt durch technischen Fortschritt besser zu machen.

Algorithmus des Alterns

Und jetzt also die Gesundheit. Im September 2013 hat Google das Unternehmen Calico gegründet. Dessen Ziel ist, das Altern zu verlangsamen und die damit einhergehenden Krankheiten zu heilen. Dazu hat man weltweit führende Wissenschaftler angestellt und das Unternehmen mit einem Milliardenetat ausgestattet. Bevor es aber um konkrete Produkte geht, steht erst einmal Grundlagenforschung an. Der erste Schritt besteht darin, Unmengen an Daten aus der Forschung zusammenzutragen, in Zusammenhang zu bringen und auszuwerten. Das Stichwort lautet Big Data: die Suche nach bisher verborgenen Mustern und Zusammenhängen im gigantischen Datenstrom. Und wer könnte das besser als Google? Für diese Strategie spricht auch, dass das Unternehmen in den vergangenen Monaten große Summen in medizinische Start-ups wie Flatrion Health, DNAnexus oder Predilytics investiert hat, die sich alle mit medizinischen Daten und Statistiken beschäftigen.

Das geht ins Auge

Aber auch Handfestes ist bereits bei Google herausgekommen. Es sieht so aus, als ob Google Glass bald zu einem wichtigen Hilfsmittel bei Operationen werden könnte. Der Arzt könnte damit bei Bedarf einen weiteren Experten während der OP zuschalten, Befunde checken oder im Internet nach Informationen suchen – ohne dass er den sterilen Bereich verlassen muss. Aber das ist erst der Anfang. Nach dem „Internet der Maschinen“ steht jetzt die nächste Entwicklungsstufe an: das „Internet der Dinge“. Dadurch wird sich die Reichweite der digitalen Welt erheblich vergrößern. Geräte werden durch direkten oder indirekten Onlinezugang intelligent und eröffnen ganz neue Möglichkeiten. Sie gehen auf die Bedürfnisse der Menschen ein – man spricht auch von Umgebungsintelligenz. Und auch hier hat Google schon ein Produkt in der Testphase: intelligente Kontaktlinsen. Diese sind mit einem Chip ausgestattet und messen anhand der Tränenflüssigkeit den Insulinwert und senden diesen an ein Smartphone oder direkt den Hausarzt. Selbst Facebook denkt darüber nach, wie mit Social Media die Gesundheit seiner Nutzer verbessert werden kann. Zum Beispiel indem man chronisch Kranke oder Menschen mit seltenen Krankheiten besser vernetzt, damit sich diese austauschen und von den Erfahrungen der anderen profitieren können.

Ein Milliarden-Markt

Aber auch deutsche Technologiekonzerne haben den Gesundheitsmarkt für sich entdeckt. Nach einem zögerlichen Anfang hat die Telekom in diesem Jahr das Tochterunternehmen „Deutsche Telekom Healthcare and Security Solutions“ (DTHS) gegründet. Mit moderner Technik und 700 Mitarbeitern will man die medizinische Betreuung verbessern und effizienter gestalten. Das Marktpotenzial schätzt man bei der Telekom allein für Deutschland auf 300 Milliarden Euro. Die neue Gesundheits-GmbH ist in vielen Branchen aktiv: telematische Anwendungen für Patienten, Ärzte und Kliniken sowie Assistenz- und Notfallsysteme für ältere und kranke Menschen. Außerdem betreut das Unternehmen weltweit Krankenhausinformationssysteme, betreibt Computersysteme für Kliniken und erstellt Abrechnungen für Ärzte und andere Leistungserbringer. Und auch bei der elektronischen Gesundheitskarte ist man im Boot. Als Generalunternehmer führt die Telekom die Online-Feldtests in Sachsen und Bayern durch. Eins ist klar: Ob Google oder Telekom – wenn die Unternehmen auch die Medizin so grundlegend und schnell umkrempeln, wie sie es in den vergangenen zehn Jahren mit dem Rest unseres Lebens getan haben, so steht dem Gesundheitsmarkt eine digitale Revolution bevor.