0.4 Mensch und Meinung
Und wie ging es weiter, nachdem Sie sich entschieden haben?
Zunächst gab es zwei Workshops. Im ersten Workshop mit dem Managementteam, der Geschäftsführung von AOK Systems und ergänzend mit dem Betriebsrat ging es darum, eine Linie festzulegen und die Balance zwischen den Interessen des Arbeitgebers und der Ausrichtung als familienfreundliches Unternehmen zu finden.
Und auf Basis dieser Linie fand dann ein Workshop mit Mitarbeitern statt, die verschiedene Standorte, unterschiedliche Altersgruppen und auch ganz verschiedene familiäre Hintergründe repräsentieren. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie definiert ja jeder anders. Und das ist eben nicht mehr nur Vater, Mutter, Kind. Daraus ergaben sich dann die Schwerpunkte, auf die wir uns jetzt konzentrieren, die wir optimieren oder ausbauen möchten.
Das audit berufundfamilie hat verschiedene Handlungsfelder, aus denen sich die Einzelmaßnahmen ergeben. Zum Beispiel bei den Arbeitsbedingungen, da stellt sich die Frage nach flexiblen Arbeitszeiten. Wir haben bereits eine Rahmenzeit von 6 bis 20 Uhr, in der kann jeder im Rahmen seines Tagespensums so arbeiten, wie es in die Handlungsabläufe und zu den Aufgaben der Organisationseinheit passt. Bei anderen Unternehmen ergibt sich hier vielleicht Handlungsbedarf, bei uns waren die Bedingungen aber schon sehr gut. Auch an andere Themen konnten wir einen Haken machen. Was wir festgestellt und was die Mitarbeiter für dieses Jahr thematisch priorisiert haben, sind Infos für pflegende Angehörige, Kinderbetreuung sowie das mobile Arbeiten.
Inwieweit sind denn Infos für pflegende Angehörige interessant?
Die Menschen werden immer älter und die Berufstätigkeit für Männer und Frauen bleibt eigentlich normal. Was also machen wir, wenn unsere Eltern sich plötzlich nicht mehr um sich selbst kümmern können? Wie kann ein Unternehmen unterstützen? Hierzu haben wir unseren Mitarbeitern bereits erste Informationen im sysNET, unserem Intranet, zugänglich gemacht. Wer also in diese Situation kommt, muss sich die Infos nicht irgendwo herholen. Zu diesem Thema haben wir auch das Gespräch mit der AOK Hessen gesucht. Diese Kasse hat ein wirklich ausgereiftes Programm, ist schon sehr lange auditiert und bietet im Bereich „pflegende Angehörige“ Seminare und Workshops an. Wir versuchen derzeit, uns dort wenn möglich anzuschließen. Dann könnten wir unseren Beschäftigten auch Informationsveranstaltungen oder vielleicht auch Workshops zu diesem Thema anbieten. Erste Fragen können dann beantwortet werden, wie: „Was ist zu beachten? Was mache ich, wenn ich es für möglich halte, dass meine Eltern vielleicht in den nächsten Jahren gepflegt werden müssen? Welche Vollmachten gibt es?“ Dann hätten wir ein Rundum-Paket, das für Betroffene sehr wertvoll ist.
Und wie werden Eltern beim Betreuungsbedarf unterstützt?
Beschäftigte mit Kindern suchen trotz allgemein wachsender Betreuungsangebote nach Möglichkeiten, ihr Kind zur Arbeit mitzunehmen. Eine davon ist unser Eltern-Kind-Büro, das häufig genutzt wird. Weitere Varianten sind gefragt. Dabei suchen Beschäftigte Antworten darauf, was sie machen, wenn der Kindergarten geschlossen ist oder die Kinder plötzlich krank sind. Oder aber auch für den Fall, dass jemand vielleicht an zwei, drei Tagen in der Woche arbeitet und aus einem bestimmten Grund noch an einem anderen Tag kommen soll, an dem das Kind aber nicht betreut wird.
Wie ist mobiles Arbeiten möglich, sind die Bedingungen für alle gleich?
Das ist ein sehr wesentliches Thema, das mobile Arbeiten. Viele von unseren Mitarbeitern sind im Kundeneinsatz und nutzen bereits das mobile Arbeiten an einem Tag in der Woche. Sie können dann Büroarbeit an einem beliebigen Standort, beim Lebenspartner oder auch zu Hause erledigen. Das ist für einige eine große Erleichterung, denn sie müssen nicht mehr nach vier Tagen beim Kunden am fünften Tag vielleicht noch mal 80 Kilometer zu ihrem vertraglichen Arbeitsstandort fahren.
Wir haben aber auch Mitarbeiter, die jetzt und auch in Zukunft nicht mobil arbeiten können, weil sie Servicedienstleistungen in unserem Haus erbringen. Zum Beispiel die Kollegen aus dem Geschäftsbereich Services im Infrastrukturbetrieb: Hier muss dann auch wirklich jemand kommen, wenn mal der Bildschirm flackert. Oder die Kollegin am Empfang: Sie wird auch keine Möglichkeit haben, mobil zu arbeiten. Aber für viele ist es durchaus praktikabel. Natürlich ist das immer noch individuell und kann nur in Abstimmung mit der Führungskraft erfolgen. Wir haben uns daher mit dem Betriebsrat auf eine Testphase von einem Jahr geeinigt, in der mobiles Arbeiten möglich sein soll. Danach sehen wir, wie die Beschäftigten diese Möglichkeiten bewerten und ob wir wirklich viele erreichen. Entscheidend ist auch das Resümee der Führungskräfte: „Was war gut, welche Probleme sind aufgetaucht, was bedeutet das bei einer Abteilung von acht Leuten und wie wirkt es sich aus, wenn man 40 Mitarbeiter führt? Gibt es Reibungsverluste bei Präsenzterminen und Abteilungsmeetings etc.?“ Wir wollen im nächsten Frühjahr Mitarbeiter und Führungskräfte nach ihren Erfahrungen fragen und dann entscheiden, wie es weitergeht.
Wenn wir jetzt mal den Blick in die Zukunft wagen, wo sehen Sie die AOK Systems in zwei Jahren?
Bis dahin haben wir im Rahmen der vom audit berufundfamilie identifizierten Handlungsfelder einiges umgesetzt und auf den Weg gebracht. Grundsätzlich ist jedes Unternehmen befristet mit diesem Zertifikat versehen. Auf jede Auditierung folgt eine Re-Auditierung, in deren Rahmen wieder neue Maßnahmen identifiziert werden. Wir sind überzeugt, Wettbewerbsvorteile zu haben, indem wir in unseren Handlungsfeldern Maßnahmen umsetzen und uns auch ganz deutlich nach außen zu berufundfamilie und zu einer Vereinbarkeit von beidem bekennen.