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0.1 Gesundheit und Politik

Die unterschätzte Branche

Wer über das Gesundheitswesen redet, meint meist steigende Kosten, klamme Kassen und verkrustete Strukturen. Gleichzeitig ist die Gesundheitswirtschaft aber eine der wichtigsten Wirtschaftsbranchen in Deutschland. Seit Jahren steigen die Anzahl der Beschäftigten und der Umsatz stetig. Die Branche ist ein wichtiger Faktor für die wirtschaftlich gute Lage in diesen stürmischen Zeiten. Auch europaweit gewinnt die Branche immer mehr an Bedeutung – gerade als Reservoir für qualifizierte Fachkräfte, die in Deutschland dringend gebraucht werden.

Die medizinische Innovation und die demografische Entwicklung haben die „Ware“ Gesundheit längst zu einem Megatrend im deutschen Wirtschaftswesen gemacht. Die Gesundheitswirtschaft ist eine der größten Branchen hierzulande. Laut Statistischem Bundesamt betrug im Jahr 2011 der Umsatz 294 Milliarden Euro. Das entspricht 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Erwirtschaftet wird das von rund 230 000 Firmen und Betrieben. Dazu gehören neben den Versicherungsunternehmen der GKV und PKV rund 2 000 Krankenhäuser, 87 000 Arztpraxen, 21 000 Apotheken, 24 000 Pflegeeinrichtungen und rund 24 000 Unternehmen verschiedener Ausrichtung und Größe. Besonders erfolgreich sind die pharmazeutische Industrie mit rund 38 Milliarden Euro und die Medizintechnik mit rund 21 Milliarden Euro. Deutsche Unternehmen sind in diesen Bereichen weltweit Innovationsführer und tragen nicht unerheblich zum Außenhandelsüberschuss bei. Im Jahr 2013 betrug der Anteil der Gesundheitswirtschaft daran rund 19,2 Milliarden, was einem Anteil von 9,5 Prozent entspricht.

Motor für den Arbeitsmarkt

Aber nicht nur der Umsatz der Gesundheitswirtschaft ist stetig steigend, sondern auch die Anzahl der dort Beschäftigten. Das ist ein wichtiger Faktor für den Arbeitsmarkt in Zeiten, in denen Unternehmen wie Banken oder Schlüsselbranchen wie die Automobilindustrie immer höhere Gewinne einfahren, gleichzeitig aber immer mehr Beschäftigte entlassen oder Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. In der Gesundheitswirtschaft ist der Faktor Mensch bisher nicht von der Automatisierung betroffen und wird außerdem vor Ort benötigt – das zeigt sich auch in den Beschäftigungszahlen. Seit Jahren geht es hier kontinuierlich nach oben. Vor allem im Pflegebereich kann die Nachfrage längst nicht mehr nur mit einheimischen Fachkräften bewältigt werden. Ob Ärzte, Hebammen oder Pflegekräfte – gerade im Gesundheitswesen wird Deutschland in den nächsten Jahren massiv auf ausländische Fachkräfte setzen müssen. Schon heute arbeitet hierzulande jeder siebte Arbeitnehmer in dieser Branche. 2013 waren es 14,7 Prozent oder insgesamt 6,2 Millionen. Das bedeutet, dass allein in den vergangenen acht Jahren im Gesundheitsmarkt rund eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Im Jahr 2005 waren es noch 5,3 Millionen, seit 2008 kamen pro Jahr jeweils über 100 000 neue Arbeitsplätze dazu. Ein weiterer positiver Effekt: Die Gesundheitsbranche ist eine der wenigen, in denen es mehr qualifizierte Arbeitsplätze für Frauen als für Männer gibt und in denen – mit Ausnahmen – Frauen einfach in Führungspositionen kommen.

Zukunft für Europa

Auch innerhalb der EU arbeiten immer mehr Menschen im Gesundheitswesen. Dem von der EU-Kommission vorgestellten „Europäischen Arbeitskräftemonitor (EVM)“ zufolge sind es rund zehn Prozent. Insgesamt sind in Europa derzeit knapp 17 Millionen Menschen in Gesundheitsberufen tätig. Deutschland hat mit 3,26 Millionen Beschäftigten den größten Anteil daran. In den 28 EU-Mitgliedsstaaten fanden allein 2012 knapp eine Million Menschen eine neue Arbeitsstelle im Gesundheitswesen. Das entspricht einem Plus von 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Zeitraum von 2008 bis 2012 gab es ein durchschnittliches Wachstum von zwei Prozent. Betrachtet man 2012 isoliert, stieg die Beschäftigungsquote nur noch um 0,6 Prozent. Aufgeschlüsselt auf alle erfassten Berufsgruppen verzeichneten Pflegeberufe das rasanteste Wachstum. Der EVM zeigt, dass 2012 fast 160 000 Menschen einen neuen Job in der Pflege begannen. Mit fast 80 000 neuen Stellen landeten spezialisiert ausgebildete Fachkräfte aus der Krankenpflege und Geburtshilfe auf Platz acht der am schnellsten anwachsenden Berufsgruppen. In medizinisch- und pharmazeutisch-technischen Berufen fanden rund 60 000 Menschen eine neue Arbeitsstelle.